Ein Hoch auf die Komfortzone

Ein Hoch auf die Komfortzone! Aug. 8, 2025

Ein Hoch auf die Komfortzone

Die Komfortzone hat einen schlechten Ruf. Unzählige Coaches sehen sie als die Wurzel allen Übels, nämlich als Ausdruck der mangelnden Entwicklungsbereitschaft des Menschen. Wir leiden gerade zu unter einem kollektiven Brainwash, dass wir uns permanent weiterentwickeln müssten, sonst würden wir „zurückfallen“. 

Aber was, wenn das eine krasse Form von Perfektionismus ist, die nur Gefühle von Angst und Unsicherheit überdeckt? Und was, wenn die Komfortzone in Wirklichkeit eine Aufladestation ist?

Die folgenden Reflexionen sind über viele Jahre in mir gereift. Ich mochte die Komfortzone früher auch nicht, sondern pendelte eigentlich nur zwischen völliger Erschöpfung (die ich für Entspannung hielt) und Überanstrengung, die ich mit Entwicklung gleichsetzte.

Wie ich in Gesprächen mit Klient:innen immer wieder feststelle: Diese Haltung ist weit verbreitet! Erst neulich erlebte ich in einem Gespräch, wie eine sehr leistungsstarke Frau sich selbst dafür verurteilte, nicht mutig genug zu sein, um „endlich“ die nächsten Wachstumsschritte anzugehen. Im Gespräch tauchten wir in ihre Geschichte ein und mir wurde klar: Ihr Problem war nicht zu viel Komfortzone. Sondern sie hatte von Kindheit an viel zu wenig davon erlebt!

Wenn du ahnst, dass das bei dir auch so sein könnte, findest du hier gesammeltes Wissen, das dir hoffentlich hilft, künftig weniger mit deinem Bedürfnis nach Komfortzone zu hadern. Und diesen Zustand mit ganz neuen Augen zu sehen – als „Homezone“ und notwendige Basis für alle Abenteuer des Lebens!

Wachstum braucht Sicherheit

Wir müssen uns als Menschen zuerst sicher und geborgen fühlen – um dann Schritte Richtung Autonomie und Wachstum gehen zu können.  

Ja, es geht auch anders: Nämlich, dass wir springen (also sehr herausfordernde Dinge tun oder Situationen managen), bevor wir wirklich bereit sind und die innere Kapazität dafür haben. Wenn wir das schon als Kinder gelernt haben, kann das aber zu chronischen Überforderungsgefühlen führen und einer tiefen Angst dem, was kommt, nicht gewachsen zu sein. Und zugleich zu einer tief verinnerlichten Gewohnheit, ständig über die eigenen Grenzen hinaus zu gehen, um irgendwelche Situationen oder sich selbst zu retten.

Aber das ist nicht Mut oder gesundes Proaktivsein, sondern Überlebensmodus!

Bist du wirklich faul oder eher erstarrt?

In der Panikzone zu sein, kann zu einer Erstarrung führen, wo es dann so aussehen mag und sich auch so anfühlen, als seien wir faul und kämen nicht voran. Aber in Wirklichkeit sind wir nicht in der Komfortzone und auch nicht in der Wachstumszone, sondern in der „Panikzone“

Diese führt zu einer Erstarrungsreaktion unseres Nervensystems, weil wir überfordert sind. Wenn wir uns dann trotzdem weiter antreiben, spiegelt das, dass wir die früher äußeren Antreiber internalisiert haben. Und so kommt zum äußeren Druck noch eine riesige Portion innerer Druck.

Wenn es in der Kindheit schwierige Erlebnisse und Situationen gab, so dass ein existenzielles Sicherheitsgefühl nicht voll ausgebildet werden konnte, ist es wichtig, dieses später nachzunähren.

Etwa durch:

  • Selbstfürsorge
  • Selbstmitgefühl
  • Fokus auf Selbstwirksamkeit
  • Achtsamkeit
  • Selbstregulation

Wir dürfen lernen, uns selbst einen sicheren inneren Raum zu schaffen. Aus dem heraus kann dann wirkliches Wachstum geschehen … und auch die Kapazität, äußerlich schwierige Situation und Herausforderungen zu halten und anders damit umzugehen.

Das nennt man Resilienz.

Plädoyer für die „Homezone“

Wir brauchen einen neuen Blick auf die Komfortzone. Sie ist nicht der Feind des Wachstums, sondern ihre Basis.

Wir sollten die Komfortzone vielleicht lieber Homezone nennen: Der Ort, wo wir unsere Batterien aufladen, ganz bei uns ankommen und dieses Gefühl von Sicherheit, Geborgenheit und Komfort genießen dürfen.

Das bedeutet ja nicht, dass wir für immer dort bleiben müssen.

Zeichen aufzubrechen sind beispielsweise Langeweile, Neugierde, Frust oder eine klare Intuition. Oder um es mit Robbie Williams sagen „When you leave dents when you sit“.

Dieser Aufbruch aus der „Komfortzone“ hat dann eine andere Energie – nämlich die von Fülle statt Mangel und Druck.

Nicht jeder Schritt ist freiwillig – umso wichtiger ist Integration

Manchmal fordert das Leben von uns Entscheidungen, auch wenn wir uns gar nicht bereit fühlen. Dann heißt es: Mut fassen – auch wenn die Knie zittern und wir viel lieber in der Komfortzone bleiben würden und eigentlich sollten. 

Ich glaube, dass wir alle intuitiv spüren, wenn ein solcher Moment gekommen ist. Wenn wir eine mutige Entscheidung treffen müssen / dürfen, so gut es eben jetzt geht, auch wenn wir uns dem noch nicht „gewachsen“ fühlen. 

Doch nach solchen Sprüngen ist es essentiell, wieder in die Ruhe- und Komfortzone (aka: „Homezone“) zurückzukehren. Denn nur dort kann unser System das Neue integrieren und tatsächlich „wachsen“.

Die weit verbreitete Vorstellung, dass das Leben eine lineare und stetige Wachstums- oder Aufstiegskurve sein müsse, ist völliger Humbug.

Wachstums- und Lernorientierung sind Grundlage für ein glückliches und gelingendes Leben, ohne Frage! Aber wenn wir uns selbst damit unter Druck setzen oder uns dafür fertig machen, dass wir immer noch nicht bereit für den nächsten Schritt sind, sind wir in der Selbstoptimierungsfalle.

Dann ist es Zeit, sich einfach mal auf Sofa zurückzuziehen und zu chillen.

DAS ist Selbstfürsorge und gesunde Selbstführung!

ABER: Regeneration und Ablenkung sind nicht das Gleiche!

Was ich damit nicht meine, ist aber ebenfalls eine häufige Verwechslung: Es ist nicht regenerativ, Netflix-Serien zu schauen, sich mit der Nachrichtenlage in der Welt zu beschäftigen oder in Social Media Doom-Scrolling zu betreiben.

Auch richtige Regeneration und „Chillen“ will gelernt sein. Nur bitte ohne Selbstoptimierungsdruck! 

Eine Analogie aus dem Sport ist vielleicht hilfreich. Sportler unterscheiden grob drei Phasen:

  1. Trainingsphase
  2. Wettkampfphase
  3. Regenerationsphase

Wenn man immer müde und erschöpft ist und damit unzufrieden, macht es Sinn, einmal zu überlegen:

  • Wie waren die letzten Wochen? 
  • Welchem Charakter hatten sie? 
  • Welche Phase ist nun eigentlich dran? 

Wachstum kann unsichtbar sein

Nicht alle Wettkämpfe sieht man auch äußerlich! Gerade wenn wir innerlich wachsen, kann das sogar Schwerstarbeit sein … innere Konflikte, Spannungen und emotionale Verarbeitungs- und Lern-Prozesse brauchen viel Energie. 

Äußerlich wirkt das vielleicht sogar wie Stagnation, Prokrastination oder ein Verharren in eben jener „Komfortzone“.

Aber wir wissen wir doch auch längst aus dem Sport, dass Muskelwachstum nicht während des Trainings, sondern in den Ruhephasen geschieht. Und dass das Mindset entscheidender ist als die reine körperliche Fitness. 

Mein Vorschlag für ein neues Zonenmodell

Innere Landkarten sind nützlich – aber nur, wenn sie vollständig und realistisch sind!

Ich schlage also vor, das dreistufige „Zonenmodell“ zu erweitern – mit der „Home-Zone“ als Erholungs- und Regnerationszone in der Mitte! Wir dürfen lernen, sie zu genießen als den Ort, an dem wir innerlich zuhause sind, uns sicher fühlen und regenerieren und spielen können! (Hier einige Gestaltungstipps für regenerative Phasen).

Die „Komfortzone“ ist dann der zweite Ring: Der Zustand, in dem wir zwischen Aktivität und Inaktivität schwanken – und beispielsweise oft versucht sind, uns abzulenken von diesem oft unangenehmen Zwischenzustand. 

Der dritte Ring ist die bekannte Wachstumszone. Hier spüren wir eine gesunde Herausforderung und strecken und dehnen unsere Fähigkeiten. Hier findet Lernen statt – und hier erleben wir oft „Flow“!

Den vierten Ring bildet die „Panikzone“ bzw. Überforderungszone, in der wir ähnlich wie in der zweiten oft auch in eine Art Erstarrung oder sinnlose Übersprungshandlungen geraten. 

Homezone
→ Erholen, Aufladen, Spielen
→ Gefühl: Sicherheit & Geborgenheit
Komfortzone
→ zwischen Inaktivität + Aktivität, Versuchung, sich „abzulenken“
→ Gefühl: Unruhe, Langeweile
Wachstumszone
→ bewusstes Wachstum – oder sogar „Flow“
→ Gefühl: Spannung, aber mit positiver Energie – eher Neugierde
Panikzone / Überforderungszone
→ Erstarrung, Reinszenierung alter Muster, sinnlose Übersprungshandlungen
→ Gefühl: Überforderung, Gefühllosigkeit oder Panik

In welcher Zone bist du derzeit?

Du kennst das sicher von Wegübersichtstafeln beim Wandern: Den richtigen weiteren Weg zu finden ist nur möglich, wenn es irgendwo auf der Tafel einen Hinweis gibt „Du bist hier“. Und diese Standortbestimmung sollten wir immer machen, bevor wir uns selbst (und andere) antreiben, uns in die Wachstumszone aufzumachen.

Meine liebsten Selbstreflexionsfragen dafür sind:

  • Was ist deine innere Wahrheit? Wie fühlst du dich WIRKLICH?
  • Wo stehst du gerade? Was war in den letzten Wochen und Monaten los?
  • Was brauchst du gerade?

Denk daran: Kraftsammeln kann aussehen wie Stillstand, ist aber Wachstum – nach Innen!

Wenn du spürst, dass es an der Zeit ist, deine Homezone neu zu stärken – aber gleichzeitig nach Orientierung suchst, wie du den nächsten stimmigen Schritt für dich finden kannst, dann ist mein Sommerangebot vielleicht etwas für dich:
👉 Erfahre mehr zum 4-Schritte-Coaching „Zuhause in mir“

2 thoughts on “Ein Hoch auf die Komfortzone”
  1. Liebe Cornelia, du triffst es auf den Punkt und sprichst mir aus meiner tiefsten Seele. Die Erkenntnis, dass ich zwischen Erschöpfung und Panikzone (also Überforderung) und nicht zwischen Regenerations- und Wachstumsphasen wechselte, traf mich erst kürzlich. Dass ich nicht faul war, sondern ständig überfordert und ein Leben führte, das mir nicht gut tut, mich sogar auf Dauer krank macht. Dass ich zwar auch mutige, lebensverändernde Entscheidungen (Wohnort- und Jobwechsel) getroffen habe, aber diese mich nicht näher an eine Komfortzone bringen konnten.
    Danke für diesen Beitrag! Er passt gerade thematisch großartig zu den Themen, denen ich während meines Sabbaticals im Rückblick begegne.
    Liebe Grüße
    Carolin

    1. Liebe Carolin,
      wow, Gänsehaut! Das sind wunderbare Erkenntnisse – und man spürt, dass sie tief in dir gereift sind.
      Ich freue mich riesig, dass deine mutigen Entscheidungen und auch die bewusst gewählte Auszeit dich genau dahin geführt haben … und natürlich auch, dass du mit diesem Beitrag, der mir echt am Herzen liegt, so resonierst!
      Herzliche Grüße und viel Freude beim Erforschen deiner neuen „Homezone“!
      Cornelia

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